Das Mädchen mit Namen Alexa (oder Siri)

Ein Mädchen, dessen Vornamen mit einem bekannten Sprachassistenten identisch ist, hat einen Anspruch auf Änderung ihres Vornamens.

In dem hier vom Verwaltungsgericht Göttingen entschiedenen Fall begehrte ein Mädchen die Änderung ihres Namens durch Hinzufügen eines zweiten Vornamens. Dies begründeten die Eltern des Mädchens damit, dass ihre Tochter aufgrund der Namensidentität ihres Vornamens mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten erheblich unter Mobbing und Hänseleien leide. Immer wieder würden andere Personen dem Mädchen Befehle erteilen, da der Name sofort mit dem Namen des Sprachassistenten in Verbindung gebracht werde. Dies verunsichere und belaste ihre Tochter seelisch sehr.

Die beklagte Stadt hielt dagegen, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht vorliege. Die seelische Belastung des Mädchens sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt. Der Namensänderungswunsch beruhe vielmehr auf nachträglicher Reue der Eltern an der früheren Namensgebung und auf Mobbingbefürchtungen. Ein Produktname könne nicht automatisch zu einem Anspruch der vielen Inhaber gleichlautender Vornamen auf Namensänderung führen. Insgesamt könne quasi jeder Name mit einiger Fantasie ins Lächerliche gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung kam das Verwaltungsgericht Göttingen zu der Überzeugung, dass die seelische Belastung des Mädchens ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG darstelle.

In der Rechtsprechung sei bereits geklärt, so das Verwaltungsgericht, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vorliege, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen Interessen an der Namensbeibehaltung überwiegen. Auch eine seelische Belastung könne als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei.

Dabei müsse die seelische Belastung nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall vor. Die Eltern hätten in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen ihre Tochter aufgrund ihres Vornamens belästigt worden sei. Dabei sei nachvollziehbar, dass es aufgrund dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen sei, der das Mädchen Klägerin aufgrund ihres jungen Alters nichts entgegensetzen könne. Insgesamt sei zu erwarten, dass die Hänseleien auch in Zukunft weiter andauern würden. Die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handele, sondern um das „Schlüsselwort“ zur Nutzung des Geräts, führten dazu, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet sei. Hier gehe es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden würden. Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.

Im Ergebnis gehe die Interessenabwägung zu Gunsten des Mädchens aus, befand das Verwaltungsgericht. Im vorliegenden Fall gehe es nur um die Änderung eines Vornamens. Da der Familienname im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal diene als der Vorname, komme den öffentlichen Interessen bei der Änderung des Vornamens im Vergleich zu der Änderung eines Familiennamens ein geringeres Gewicht zu. Das Mädchen habe im Vorschulalter bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibe durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser „Widererkennungswert“ beim Namen des Mädchens erhalten.

 

Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 21. Juni 2022 – 4 A 79/21