Der biologische Vater und die Leihmutterschaft

Vater – im rechtlichen Sinne – ist in Deutschland unter anderem, wer zur Zeit der Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat. Beides setzt keine biologische Abstammung voraus. Auch wenn die Kinder auf dem Wege der – in Deutschland nicht zugelassen – Leihmutterschaft in den USA zur Welt gekommen sind, begründet dies nicht die Unwirksamkeit der US-amerikanischen Entscheidung bezüglich der Feststellung der Vaterschaft.

So hat das Landgericht Hildesheim in dem hier vorliegenden Fall entschieden und den Anträgen auf Feststellung des Krankenversicherungsschutzes und Kostentragung der Behandlungskosten der Kinder stattgegeben.

Der in Hildesheim lebende Kläger und sein Lebenspartner entschlossen sich im Jahr 2015 dazu, durch eine sogenannte Leihmutterschaft Eltern zu werden. In Deutschland ist dies aufgrund des Embryonenschutzgesetzes nicht erlaubt, in anderen Ländern – unter anderem in den USA – aber legal. Dort wurden Samenzellen der beiden Männer jeweils in Eizellen einer Spenderin eingesetzt und zwei daraus entstehende Embryonen in eine Leihmutter übertragen, die die sich entwickelnden Kinder in ihrem Körper ausgetragen hat. Schon im Laufe der Schwangerschaft stellte ein US-amerikanisches Gericht die Vaterschaft des Klägers und seines Lebensgefährten für die werdenden Kinder fest.

Die Zwillinge kamen als Frühgeburten in der 29. Schwangerschaftswoche zur Welt und mussten im Anschluss vier Wochen auf der Intensivstation einer US-amerikanischen Klinik behandelt werden. Ein Kind stammt biologisch vom Kläger, das andere Kind von dessen Lebensgefährten ab. Der Kläger reichte direkt nach der Geburt bei seiner privaten Krankenkasse in Deutschland sogenannte Kindernachversicherungsanträge für beide Kinder ein und teilte mit, dass er „überraschend Vater von Zwillingen geworden sei“. Für die Kindernachversicherung ist es nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes erforderlich, dass mindestens ein Elternteil des zu versichernden Kindes bei dem Versicherer krankenversichert ist. Die beklagte Versicherung, bei der nur der Kläger, nicht aber dessen Lebensgefährte versichert war, bestätigte die Nachversicherung beider Kinder.

Für die Behandlung rechnete das US-amerikanische Krankenhaus Kosten von 1.200.000,- US-Dollar – umgerechnet ca. eine Million Euro – ab. Anfang 2016 kamen die beiden Zwillinge nach Deutschland. In den vom deutschen Standesamt erteilten Geburtsurkunden sind der Kläger und sein Partner als Elternteile aufgeführt.

Nachdem die Krankenkasse des Klägers die näheren Umstände der Zeugung und Geburt der Zwillinge erfahren hatte, weigerte sie sich, die Kosten der Behandlung in den USA zu bezahlen; hinsichtlich des biologisch vom Lebensgefährten des Klägers abstammenden Kind schon deswegen, weil der Kläger insoweit nicht als „Elternteil“ anzusehen sei. Die Nachversicherung des vom Kläger biologisch abstammenden Kindes habe dieser mit falschen Angaben erreicht, indem bei der Versicherung der Eindruck entstanden sei, dass der Kläger „auf üblichem Wege“ Vater von Zwillingen geworden sei und diese ungeplant in den USA hätten entbunden werden müssen. Die in Deutschland nicht erlaubte Leihmutterschaft habe er verschwiegen. Beides führe dazu, dass die Nachversicherung unwirksam sei. Daneben stritten die Parteien auch noch um die Wirksamkeit einer zwischenzeitlichen Kündigung der Nachversicherung.

Der Kläger wollte mit seiner Klage unter anderem festgestellt wissen, dass für beide Kinder aufgrund der Nachversicherungsverträge der Versicherungsschutz besteht und zudem, dass die beklagte Versicherung verpflichtet ist, die Kosten für die Behandlung der Kinder in den USA zu tragen hat.

Nach Auffassung des Landgerichts Hildesheim sei der Kläger als Elternteil beider Kinder anzusehen, auch wenn biologisch nur ein Kind von ihm abstamme. Nach dem Sprachgebrauch sei der Vater eines Kindes dessen Elternteil. Vater – im rechtlichen Sinne – ist in Deutschland unter anderem, wer zur Zeit der Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat; beides setzt keine biologische Abstammung voraus. Nach dem Urteil des US-amerikanischen Gerichts sei der Kläger Vater beider Kinder. Dementsprechend habe auch das deutsche Standesamt den Kläger und seinen Lebensgefährten jeweils als Elternteile aufgeführt.

Zwar gebe es die Möglichkeit, ausländischen Entscheidungen deren Wirkung in Deutschland abzuerkennen, wenn sie dem „ordre public“, den grundlegenden inländischen Wertvorstellungen, entgegenliefen. Der Umstand, dass die Kinder auf dem Wege der – in Deutschland nicht zugelassen – Leihmutterschaft zur Welt gekommen seien, ist aus Sicht des Landgerichts aber nicht geeignet, die Unwirksamkeit der US-amerikanischen Entscheidung zu begründen.

Denn dies würde dazu führen, dass einem der Kinder die rechtliche Zuordnung zu einem Wunschelternteil versagt würde, obwohl es auf die Umstände seiner Entstehung keinen Einfluss habe und dafür auch nicht verantwortlich gemacht werden könne. Da nicht auszuschließen sei, dass dadurch das Kindeswohl beeinträchtigt werde, habe der Umstand, dass es sich um eine in Deutschland nicht zugelassene Methode handele, in diesem Fall keinen Einfluss auf die Frage, wer rechtlich als Elternteil anzusehen sei.

Hierbei stützte sich das Landgericht Hildesheim auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Dieser hatte bereits im Jahr 2014 entschieden, dass allein aus dem Umstand, dass eine ausländische Entscheidung im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternschaft zu dem Kind beiden Wunscheltern zuweise, jedenfalls dann kein Verstoß gegen den ordre public folge, wenn ein Wunschelternteil – im Unterschied zur Leihmutter – mit dem Kind genetisch verwandt sei1.

Der Umstand, dass die Elternschaft durch das US-amerikanische Gericht gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern statt einem Ehepaar zugewiesen wird, habe für sich genommen ebenfalls keine Verletzung des „ordre public“ zur Folge. Nach der zur sog. Sukzessivadoption ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 sei davon auszugehen, dass die Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 ausgeführt, dass auch bei einer nicht eingetragenen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, jedenfalls dann, wenn sie stabil und dauerhaft sei, kein Widerspruch zum Leitbild des Kindeswohls zu sehen sei. Beide Entscheidungen würden nach Auffassung des Landgerichts Hildesheim im Interesse des Kindeswohls für eine großzügige Auslegung des Begriffs „Elternteil“ sprechen.

Da der Kläger somit als Elternteil beider Kinder anzusehen sei, die Anträge auf Nachversicherung rechtzeitig gestellt habe und die Versicherung für beide Kinder Policen ausgestellt habe, sei der Versicherungsschutz gegeben. Zu einer zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Kündigung der Verträge sei es nicht gekommen.

Landgericht Hildesheim, Urteil vom 26. Juni 2018 – 3 O 214/17 (nicht rechtskräftig)

  1. BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13 []
  2. BVerfG, Urteil vom 19.02.2013 – BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 []