Vaterschaftsanerkennung durch den Ehemann – Vaterschaftsanfechtung durch den leiblichen Vater

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Interesse des leiblichen Vaters eines Kindes, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. Dem leiblichen Vater ist Zugang zu einem Verfahren zu gewähren, um auch rechtlich die Vaterstellung erlangen zu können. Prüfung und Feststellung der Vaterschaft sind Teil der verfahrensrechtlichen Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG1.

Dem dienen im geltenden Abstammungsrecht vor allem das dem leiblichen Vater eingeräumte Anfechtungsrecht (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und das gerichtliche Verfahren zur Feststellung seiner rechtlichen Vaterschaft (§ 1600d BGB).

Das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung muss hinreichend effektiv sein. Deshalb darf dem leiblichen Vater, der ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungverfahren in einem Zeitpunkt eingeleitet hat, zu dem die Voraussetzungen seiner Vaterschaftsfeststellung erfüllt sind, die Erlangung der Vaterstellung grundsätzlich nicht dadurch versperrt werden, dass ein anderer Mann während des laufenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Vaterschaft anerkennt. Das gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens durch den leiblichen Vater noch keine sozial-familiäre Beziehung des anderen Mannes zu den Kindern bestand und der leibliche Vater selbst bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte.

Zwar ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der leibliche Vater zum Schutz einer bestehenden rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen ist2. Das gilt auch in Fällen, in denen der leibliche Vater vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hat3. Selbst wenn der leibliche Vater viele Jahre mit seinem Kind zusammengelebt hat, kann die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes wegen dessen sozial-familiärer Beziehung zum Kind Bestand haben, sofern der leibliche Vater auch nach der Trennung von der Kindesmutter über viele Jahre hinweg die rechtliche Vaterschaft hätte erlangen können und dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil er die ihm selbst obliegenden Schritte dazu nicht unternommen hat, ohne dass er daran erkennbar gehindert gewesen wäre4.

Jedoch wäre die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität des Verfahrens zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung jedenfalls dann nicht gewährleistet, wenn der leibliche Vater, der bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte und der durch Einleitung eines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens alles in seiner Macht liegende getan hat, um die ihm zu diesem Zeitpunkt rechtlich offen stehende und auch sozial noch nicht weiter vergebene Vaterposition für seine Kinder zu erlangen, tatenlos zusehen müsste, wie ihm im Laufe seines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens der Zugang zur Elternposition durch die Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes endgültig versperrt wird. Der leibliche Vater wäre dann einem Wettlauf um die Zeit ausgesetzt, bei dem es von Zufällen und der gerichtlichen Entscheidungsgeschwindigkeit abhinge, ob seine Vaterschaft rechtzeitig festgestellt wird oder aber die Mutter mit ihrem neuen Partner die entscheidenden Schritte schneller ergreift und dem leiblichen Vater damit endgültig den Zugang zur Elternschaft für seine Kinder nimmt. Das kann ihm grundsätzlich nicht zugemutet werden.

Auch wenn zwischen dem rechtlichen Vater und den Kindern zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung besteht, rechtfertigt dies den endgültigen Ausschluss des leiblichen Vaters vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung in einer solchen Konstellation nicht ohne Weiteres. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann entgegen der Ansicht des Familiengerichts nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Anfechtungsausschluss wurde in der zitierten Entscheidung5 gerade deshalb als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, weil der leibliche Vater die erforderlichen Schritte zu Erlangung der rechtlichen Vaterschaft nicht unternommen hatte. Hingegen ist in der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, in der ein leiblicher Vater – als ihm die rechtliche Vaterschaft offen stand – alles getan hat, diese zu erlangen, das Interesse am Gleichlauf der rechtlichen Vaterschaft mit der sozial-familiären Beziehung regelmäßig nicht stark genug, um die erhebliche Härte zu rechtfertigen, die das endgültige Scheitern der rechtlichen Vaterschaft für den leiblichen Vater bedeutet. Der vom Amtsgericht benannte Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, „die bestehende Familie davor zu schützen, ihre Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen“, läuft weitgehend ins Leere, wenn die leibliche Vaterschaft des Anfechtenden unstreitig ist und der rechtliche Vater erst deutlich nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zu den Kindern begründet hat. Dass der aktuelle Ehemann der Mutter nicht der Erzeuger ihrer Kinder ist, ist dann für sich genommen kein Umstand, vor dessen Aufdeckung die Rechtsordnung schützen müsste. Auch der vom Oberlandesgericht angesprochene Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, davor zu schützen, dass der leibliche Vater nach Erlangung der rechtlichen Elternstellung die bestehende soziale Familie beeinträchtigen könnte, indem er seine Elternrechte geltend macht, kann die besondere Härte nicht aufwiegen, die das Scheitern der Vaterschaftsfeststellung in der vorliegenden Sonderkonstellation für den leiblichen Vater bedeutet. Soweit sich eine solche Beeinträchtigung ergeben sollte, müsste dieser im Regelfall im Rahmen der Sorge- und Umgangsregelungen Rechnung getragen werden.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. September 2018 – 1 BvR 2814/17

  1. vgl. grundlegend BVerfGE 108, 82, 104 f. []
  2. vgl. BVerfGE 108, 82, 106 ff.; s. auch BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 – 1 BvR 562/13; BGH, Beschluss vom 18.10.2017 – XII ZB 525/16 14 m.w.N. []
  3. vgl. BVerfGE 108, 82, 87 f., 90, 106, 109, 112 f.; BVerfG, Beschluss vom 04.12 2013 – 1 BvR 1154/10 []
  4. vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 – 1 BvR 562/13 []
  5. BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 – 1 BvR 562/13 []